Dienstag, 4. Oktober 2011

Istanbul - Elite im Aufbruch








Während ich hier in Istanbul nun seit knapp 4 Wochen lebe, bin ich nur all zu oft auf wohlhabende Millieus und Clientes gestoßen. Es scheint fast ein Kampf in der Gesellschaft zu herrschen im Wettbewerb, um das prächtigste Auto und die teuersten Taschen und Handys. Wer hat, der zeigt auch. Wer nicht hat, traut sich nicht einmal in die angesagten Cafes oder Bars. Denn ohne ein teures Auto nähert man sich nicht an diese populären Gaststätten, wo vor der Tür bereits die Servicekräfte warten, um die angekommenen Gäste zu empfangen und die Autos zu parken. Ich habe es natürlich leicht. Ich bin jung, ich bin eine Frau und ich sehe westlich aus. Dass ich mit der Bahn und dem Bus komme, sieht keiner. Und selbst wenn? Durch meine selbstbewusste Art, würde diese Tatsache wiederum ausgeblendet werden in den Köpfen der neu herangewachsenen Istanbuler -Elite. Tritt man im Cafe ein, sieht man auf allen Tischen die neuesten Blackberry Modelle und Iphones erstrahlen. Wie gesagt, wer hat, der zeigt auch. Und wenn man dann halt nicht so ein teures Handy besitzt, dann versteckt man diese unter dem Portemonnaie auf dem Tisch. Ich übertreibe nicht. Und ich lüge auch nicht. Dieses PHÄNOMEN habe ich leider nicht nur 3 oder 4 Mal beobachtet. Es scheint mittlerweile eine Art Kultur zu sein. In den Cafes wie z.B. Midpoint oder Cafe Cadde halten sich wohlbekanntlich nur die Reichen und Schönen auf. Und wer dort eintritt wird erst einmal ins Visier der Gäste genommen. Es fühlt sich wie ein Laufsteg, der allerdings von Tischen und sehr kritischen Blicken umgeben ist. Dass ich nun über diese Verhältnisse schreibe, soll keineswegs bedeuten, dass ich besonderen Wert auf Geld lege, nein es soll nur wiederspiegeln, dass die Neue Generation in Istanbul, besonders viel Wert auf Geld legt und dies natürlich auch bemerkbar macht. Sobald man im Cafe sitzt, hat man das Gefühl, als sei man im reichsten Staat der Welt angekommen. Alle 3-5 Minuten fährt ein besseres und gigantischeres Auto vor das Cafe und für einen Moment scheint es ruhig zu werden.
 ,,Wer ist das?" , ,,Was macht er beruflich?" ,,Ist das wirklich sein Auto?"

Diese Fragen beschäftigen viele der Gäste, denn wohlbekanntlich gibt es auch viele ,,Blender", die sich in die reichen Societys einschleusen möchten, um für einen Moment einer von Ihnen zu sein und eventuell Kontakte zu knüpfen. In Istanbul betont man deswegen auch immer wieder, dass es meist die Chauffeure von reichen Familien sind, die mit diesen Autos für ein paar Stunden die Könige der Strassen sind. Deshalb wird erst einmal der TÜV-Test an jeder Person gemacht.

Im Zuge dieser Beobachtung habe ich mich zurück gezogen. Es war teils sehr amüsant aber auch sehr bedrückend, diese Beobachtungen gemacht zu haben. Allein, dass es bereits Theorien darüber gibt, dass man eventuell nur ein Chauffeur ist, wenn man solch ein Auto fährt. Das zeigt mir natürlich, wie sehr das Reichtum anderer die Menschen beschäftigt. Ausschließlich ihr Capital. Eines Nachts zog ich mich dann zurück und diese Eindrücke inspirierten mich anschließend für die folgenden Worte.

Zitat Anfang:

Und werden Sie nicht eines Tages davon gehen?
Werden Sie nicht alles, was Sie haben, zurück lassen?
Wird nicht alles, worum gesorgt, wonach gestrebt, ins Nichts verschwinden?

Gewiss, es gibt kein Entkommen. 
Doch wie könnten Sie dann noch so gleichgültig sein?
Wie könnte der Mensch, dieser Tatsache wohlwissend, so leben, als sei dieses Leben von Ewigkeit?
Wie könnte er die letzte Fahrtstrecke ignorieren?

Und Sie sagen: ,, Ich lebe nur einmal, ich will mein Leben genießen!"

Doch nur, weil man einmal lebte, kehrte man den Rücken dieser Verantwortung?
Eben, weil man nur ein einziges Mal lebte, sollte man sich doch der Frage nach dem Tod stellen.

Und dann antworten Sie: ,, Nur weil ich eines Tages stürbe, sollte ich in Bange leben?

Oh, Ihr Blinden. Versteht Ihr denn nicht?

Gewiss, wie könntet Ihr denn zur Arbeit gehen und mit einem Lohn rechnen, wenn Ihr diese Arbeit nicht verrichtetet?

Und auch, wenn Sie nun entgegneten, dass Sie doch keinen Lohn erwarteten, mit welcher Absicht gingen Sie dann zur Arbeit? 

Sehen Sie denn nicht, dass dieser Gedanke in die Irre führt? Wollen Sie denn nicht begreifen, dass die Komplexität eines Lebens weit mehr erfordert, als nur zu atmen? 

Und diese Worte, sind keine Worte einer Missionarin. Es sind auch keine Worte eines Schamanen.
Sie sind der Aufruf einer Rationalistin.

Ihr Blinden. Öffnet die Augen. Und sensibilisiert Eure Sinne.
Man gab Euch Augenlicht, damit ihr seht und nicht damit Ihr geblendet werdet.
Man gab euch Hörkraft, damit ihr lauscht und nicht damit Ihr dem Strom der Klänge folgt.
Man gab euch das Gefühl, damit ihr spürt  und nicht damit Ihr verstumpft.
Und wozu gab man euch den Verstand? Damit Ihr forscht. Damit Ihr hinterfragt. Damit Ihr lernt.
Und wozu gab man euch die Zunge?      Damit Ihr sprecht. Damit Ihr euch mitteilt. Damit Ihr lehrt.

Siehe, Ihr wisst Nichts. Nicht einmal wie wertvoll Eure Sinne sind.

Wie ein Blinder, wie ein Stummer, wie ein Gefesselter irrt Ihr durch das Leben, folgend der Schnur, die euch in die Dunkelheit leitet. 

Selbst ein Planet weiss seiner Funktion besser gerecht zu werden.
Während Ihr diesen nur als ein leuchtendes Gestirn wahrnehmt, hält dieser das Universum in Takt und schenkt 
Euch das Leben, das ihr nun undankbar vergeudet.

Gökcen Freigeist, Istanbul 03.10.11

www.freigeistveben.de

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